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Titel
Royal Childhood and Child Kingship. Boy Kings in England, Scotland, France and Germany, c. 1050–1262


Autor(en)
Ward, Emily Joan
Reihe
Cambridge Studies in Medieval Life and Thought: Fourth Series
Erschienen
Anzahl Seiten
XXVI, 333 S.
Preis
£ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Büttner, Universität Heidelberg

Die Arbeit von Emily Joan Ward über königliche Kindheit und Kinder als Könige geht auf eine PhD Thesis zurück, aus der bereits einige Aufsätze zu diesem Thema hervorgegangen waren. Ihr Ziel ist es, negative Urteile der älteren Forschung über die Herrschaft von Königen im Kindesalter zu revidieren. Anstelle einer auf Erwachsene fokussierten Sichtweise soll die Agency der kindlichen Protagonisten betont und damit die Bedeutung von Kindern und Kindheit für die politische Ordnung hervorgehoben werden.

Der Zeitraum von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts ergibt sich aus den ausgewählten Fallbeispielen, welche die Grundlage für die systematische Bearbeitung des Themas auf breiter Quellenbasis bilden: Von den acht Königen aus den vier Königreichen Deutschland, England, Frankreich und Schottland traten sechs als Kinder die alleinige Königsherrschaft an (Heinrich IV.; Philipp I. und Ludwig IX.; Heinrich III.; Malcolm IV. und Alexander III.). Hinzu kommen mit Philipp II. von Frankreich und Kaiser Friedrich II. zwei Sonderfälle, da ersterer im „fortgeschrittenen“ Alter von 14 beziehungsweise 15 Jahren König wurde (und damit nach der üblichen Einteilung der Lebensalter gerade der pueritia entwachsen war) und letzterer im Heiligen Römischen Reich zunächst als Herrscher übergangen wurde, gleichzeitig aber in Sizilien als Kindkönig amtierte.

Auf weitere reges pueri, von denen es vom 11. bis 15. Jahrhundert etwa 80 gab, wird nur vereinzelt eingegangen und der weibliche Aspekt des Themas („child queens“) bewusst ausgeblendet. Mit den ausgewählten vier Königreichen geht der vergleichende Ansatz erfreulicherweise über die übliche Gegenüberstellung von zwei Objekten hinaus, obgleich es bei den behandelten Aspekten überlieferungsbedingt oft bei zwei oder drei Reichen bleibt. Die Einbeziehung von Fällen aus zwei Jahrhunderten ermöglicht außerdem eine diachrone Betrachtungsweise – zumindest unter der Prämisse, dass die Entwicklungen nicht spezifisch für ein Königreich waren, sondern die auswählten Reiche insgesamt betrafen. Dem gewählten Ansatz trägt das hilfreiche Register Rechnung, das neben Orten und Personen auch Sachbegriffe verzeichnet.

Als Ausgangspunkt und Grundlage der Untersuchung werden zunächst die frühmittelalterlichen Erscheinungsformen des Phänomens, einschließlich der Rolle der Königin, und der Umgang der Zeitgenossen mit biblischen Modellen dargestellt (S. 31–81). Die beiden zentralen Kapitel folgen dem Lebensweg eines kindlichen Herrschers und behandeln die Vorbereitung auf den Thron, also die Beteiligung an der Herrschaft und die Sicherung der Nachfolge (S. 83–167), sowie die tatsächliche Ausübung der Regierung (S. 169–274): Hier steht zunächst der Umgang mit dem Kindkönig im Vordergrund (Vormundschaft, Erziehung), um dann dessen Rolle in friedlichen wie konfliktreichen Zeiten und schließlich den langgestreckten Prozess des Erwachsenwerdens zu beleuchten.

Die diesbezüglichen Thesen und Ergebnisse werden jeweils einleitend präsentiert und in Zwischenfazits festgehalten, sodass die angestrebte Neubewertung sich als zentrales Motiv deutlich durch das Werk zieht. Dabei kommt es zu einer Reihe von überzeugenden Interpretationen von Einzelaspekten (wie zur Verwendung des Siegels), wobei stellenweise auch eine etwas weniger kindfokussierte Deutung denkbar erscheint. Die konkreten Kindkönige und die individuelle Situation ihrer Herrschaft geraten in der vergleichenden Betrachtung bewusst in den Hintergrund, sodass die Grenzen zwischen Einzelkonstellationen und Struktur etwas verwischen. Dies lädt dazu ein, die Ergebnisse der Studie im größeren zeitlichen wie geographischen Rahmen des Phänomens zu verorten. Dabei ließe sich auch die mehrfach angesprochene Frage, welchen Einfluss allgemeine Veränderungen der sozialen und politischen Ordnung für die Königsherrschaft von Kindern hatten, weiter diskutieren. Folgt man etwa der von Jacques Le Goff vorgenommenen Periodisierung der Königsherrschaft in eine Zeit des gesalbten Amtskönigs seit der Karolingerzeit und eines administrativen Königs zwischen 1150 und 12501, so wäre zu überprüfen, wie der in der Arbeit gewählte und vom Frühmittelalter abgegrenzte Zeitraum im Zuge einer umfassenden Behandlung des Phänomens einzuordnen wäre.

So bietet die von Ward vorgelegte Arbeit gleichzeitig eine überzeugende Neudeutung der königlichen Kindheit sowie des Königtums von Herrschern im Kindesalter und vielfältige Anregungen für eine weitere Erforschung des Themas, deren Fruchtbarkeit bereits im Fazit des Werks (S. 275–282) aufgezeigt wird.

Anmerkung:
1 Le Goff, Jacques, Le Roi dans l'Occident médiéval. Caractères originaux, in: Anne Duggan (Hrsg.), Kings and Kingship in Medieval Europe (King’s College London Medieval Studies 10), London 1993, S. 1–40, hier S. 2.

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